10. Juli 2022

Rohdiamanten mit Potenzial

Jesidische Flüchtlingsmädchen sind traumatisiert, doch sie bejahen das Leben.

Kisten packen, aussortieren, liebgewordene Menschen loslassen: Mit Neuanfängen kennen J. und M. B. sich aus, und auch in diesem Jahr stehen wichtige Veränderungen an. Vieles ist unklar und ungewiss… Doch nichts davon ist vergleichbar mit der Lebenslage, in der sich geflüchtete Jesidinnen im Einsatzland der Missionarsfamilie befinden.

Jesiden sind eine zumeist Nordkurdisch sprechende ethnisch-religiöse Gruppe mit weltweit über einer Million Angehörigen. In ihren ursprüngliche Hauptsiedlungsgebieten im nördlichen Irak, in Nordsyrien und in der südöstlichen Türkei sind sie massiver Verfolgung ausgesetzt, insbesondere durch die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS). Viele mussten daher ihre Heimat verlassen und sind bei J. und M. B. in Griechenland gestrandet.

Als Dreierteam besuchten wir ein Treffen jesidischer Frauen, das eine amerikanische Psychologin gestartet hatte. Die Frauen sind zwischen 17 und 27 Jahre alt, sehen aber alle deutlich älter aus, geprägt von einer Kindheit und Jugend voller Angst, Sorgen und Trauma. Als ich anfing, in meinem unperfekten Arabisch Fragen zu stellen, fiel die Scheu der Mädchen ab. Sie erzählten und weinten, zwei Stunden lang. Obwohl sie aus verschiedenen
Orten und Familien kommen und sich erst in Griechenland kennengelernt hatten, teilen sie die gleiche Lebensgeschichte: Als kleine Mädchen wurden sie mit ihren Familien vertrieben, lebten jahrelang nur in Zelten. Wegen des Vormarschs des IS verschlimmerte sich ihr Leiden ab 2014 enorm und ihr Leben wurde immer stärker bedroht: unwürdige Lebensumstände, Verlust von Freunden und Verwandten, die entführt worden waren, bis heute verschwunden sind oder im Blutbad umkamen. Die Kinder mussten Leichen anschauen, die öffentlich zur Schau gestellt wurden. Sie sprachen von über 5.000 Frauen, die seither verschleppt und versklavt worden waren, im Internet kursieren noch höhere Zahlen.

Ein Internationales Helfer-Team unterstützt bei einem Besuch in Serres

Der IS-Terror hat nicht aufgehört, bis heute. Erst um den Jahreswechsel gab es wieder Anschläge im Irak. Ja, man kann von Völkermord gegen die Jesiden sprechen. Diese Frauen sind nicht nach Europa gekommen, weil ihnen das karge Leben im Zelt nicht gereicht hätte. Sie wussten, wie bedrohlich und dramatisch die Reise nach Europa sein kann. Aber sie hatten zu viele Jahre Angst um Leib und Leben gehabt, um dort zu bleiben. Gerade als unverheiratete Mädchen sahen sie keine Zukunftschancen. Also hatten sie sich in kleinen Gruppen auf den Weg gemacht, auch Kinder waren dabei. Fünf Tage lang liefen sie von der Türkei nach Griechenland. Unterwegs nahm man ihnen ihr bisschen Hab und Gut ab, sogar Wasser und Essen. Manche überlebten die Tortur nicht, darunter ein sechsjähriges Mädchen und deren Vater, sowie ein 20-Jähriger, der zu seiner Braut nach Holland reisen wollte. Eine andere Frau wurde von ihrem Mann und dem zweijährigen Sohn getrennt, die wieder zurück in die Türkei gedrängt wurden.

Tränen auf beiden Seiten

Wir drei konnten nur zuhören, weinen und umarmen, Hände halten. Die schlimmsten Geschichten sind die, für die sie KEINE Worten fanden, weil Tränen ihre Stimmen erstickten. Mehrmals entschuldigten sich die jungen Frauen, für ihre eigenen Tränen und die unseren.

Auf dem Rückweg waren wir drei dankbar für die Offenheit der Frauen. Sie sind Perlen in Gottes Hand, Rohdiamanten. Wie sehr sie sich gegenseitig unterstützen und nicht aufgeben. Wir werden für sie beten, um Heilung, für Neuanfänge in Europa und für eine fröhliche Zukunft. Wir wollen sie weiter besuchen, trotz des 75 km langen Anfahrtsweges, um ihnen zu helfen und ihnen Gottes Hoffnung zuzusprechen. Für die Lasten der Vergangenheit werden sie psychologische und seelsorgerliche Hilfe brauchen. Doch sie haben die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, sind offen, fleißig, bejahen das Leben und haben viel Potenzial. Noch kennen diese Rohdiamanten unseren Jesus nicht als persönlichen Retter und Freund. Bitte betet mit, dass Jesus sie berühren und ihre Leben verändern darf. Danke.

 

J. & M. B.

Projektland: Griechenland
• Integrationshilfe und Unterstützung für Geflüchtete
• Kleingruppenarbeit mit Gläubigen aus muslimischen Ländern
• Hausbesuche und telefonische Begleitung

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