27. Februar 2023

Nähmaschinen für Burundi

Die Nachbarschaftskirche Aichwald ist klein, stemmt aber auch große Aktionen.

„Wir greifen auf, was Gott uns vor die Füße legt, ohne große Organisationsmöglichkeiten“, sagt Bernhard Gaßmann, Mitglied des Leitungsteams der Nachbarschaftskirche Aichwald, einer kleinen Volksmissionsgemeinde im ländlichen Raum zwischen Esslingen, Waiblingen und Schorndorf. Das kann bis nach Afrika wirken. 

Es war einer jener typischen Predigtdienste, mit denen Missionare auf ihre Arbeit aufmerksam machen: Mark und Herbert Geissbauer von „Anstoß zur Hoffnung“ (AzH) sowie Ephraim Ngendakuryio, deren Leiter aus Burundi, berichteten in Aichwald über die Projekte dieser Initiative in Ostafrika. Fast beiläufig erwähnten sie, dass sie derzeit Nähmaschinen sammeln, mit denen arme alleinstehende Frauen in Burundi sich einen bescheidenen Lebensunterhalt verdienen können. 40 Transportplätze in einem Container, der vier Wochen später auf die Reise nach Burundi gehen sollte, seien schon reserviert, nur die Maschinen fehlten noch… „Könnt ihr uns nicht beim Sammeln helfen?“  

Der Wunsch traf nicht auf taube Ohren: Spontan begannen einige Gemeindemitglieder damit, im Bekanntenkreis, auf eBay Kleinanzeigen und in Facebook Nähmaschinen aufzutreiben. Des Weiteren kündigten sie die Sammelaktion im örtlichen Amtsblatt an. „Da kam dann plötzlich Anruf um Anruf. Wir waren bis in den Schwarzwald unterwegs, um die Maschinen abzuholen“, berichtet Bernhard Gaßmann. 

Rund 40 Nähmaschinen kamen so alleine durch die Gemeinde in Aichwald zusammen, und zusammen mit den Spenden durch andere Gemeinden konnte AzH Anfang August fast 60 Maschinen mit einem Hilfscontainer nach Burundi versenden. „Wir waren überwältigt“, sagt Herbert Geissbauer, den die „tolle Aktion einer kleinen Gemeinde“ aus einer echten Notlage befreite: Schließlich hatte er Ephraim zugesagt, dass die Maschinen schon zusammenkommen würden. Hilfreich war die Aktion aber auch für die Nachbarschaftskirche selbst: „Wir sind darüber auch mit gemeindefremden Menschen ins Gespräch gekommen und konnten unsere Gemeinde insgesamt bekannter machen“, so Gaßmann.  

Aufgreifen, was Gott vor die Füße legt – nach diesem Prinzip gestaltet die Nachbarschaftskirche Aichwald auch ihre „normalen“ Aktivitäten. Zumal die Grenzen eng gesteckt sind: Die Gemeinde hat eben mal 27 meist ältere Mitglieder, die Räume sind beengt und das Dorf Aichwald mit seinen 7.600 Einwohnern, die auf fünf Ortsteile verteilt sind, verfügt weder über eine Fußgängerzone noch – mit Ausnahme der Schurwaldhalle – über Lokalitäten für größere Veranstaltungen. „Daher sind Kooperationen wichtig für uns, zum Beispiel über den örtlichen Vereinsring oder die Evangelische Allianz“, betont Gaßmann. „Darüber können wir uns an Straßenfesten oder am Weihnachtsmarkt beteiligen und Kontakte aufbauen.“ 

Abtransport der Nähmaschinen

Gottes Führung

Gottes Führung war es auch, dass im Jahr 2018 Nathanael Over als nebenberuflicher Pastor in die Gemeinde einstieg. Er stieß Veränderungen in Gottesdienstablauf und Musikstil sowie die Namensänderung in „Nachbarschaftskirche“ an. Und er hatte die Idee, ganz konkret um zwei neue Familien zu beten. 

„Es kamen gleich drei“, freut sich Bernhard Gaßmann. Seitdem wuseln wieder Kinder durch die Gemeinde, die Kinderarbeit und das Technikteam erfuhren einen neuen Aufschwung, und Kontakte zu weiteren Familien sorgen dafür, dass stabil Gäste in die Gemeinde kommen. Das wirkt nach, auch wenn Nathanael Over inzwischen anderen Aufgaben nachgeht und eine der Familien sich für den missionarischen Dienst unter unerreichten Volksgruppen vorbereitet. „Da war natürlich zuerst die Frage: Wie soll es nun mit der Gemeinde weitergehen? Aber die Gemeinde entschied sich im Vertrauen auf Gott dazu, die Familie auszusenden und sie dabei zu unterstützen, damit das Evangelium sich noch weiter ausbreitet, denn schließlich ist der Missionsbefehl noch lange nicht vollständig ausgeführt, da es noch über 7000 Volksgruppen gibt, in denen Jesus noch völlig unbekannt ist. Was die Vakanz in der Gemeinde angeht, so hoffen wir auf einen Pastor oder Vikar, der die Fehlstelle ersetzen kann“, räumt Bernhard Gaßmann ein und ist doch zuversichtlich: „Auch das wird sich ergeben.“  

Neben dieser Familie unterstützt die Nachbarschaftskirche auch die MT:28-Missionare Markus und Maria in ihrer Asienarbeit, lädt Missionare im Reisedienst ein und führt Israeltage durch. „Mission haben wir immer im Blick“, betont Gaßmann, der auch dem Missionsbeirat von MT:28 angehört. „Unsere jüngeren Gemeindemitglieder kennen die Missionare oft nicht mehr persönlich, daher ist es wichtig, den Informationsfluss am Laufen zu halten.“ Rundbriefe und Anliegen werden regelmäßig in die Gemeinde hineingetragen, „und den Breitengrad überreichen wir persönlich.“ 

Irankunda G. bei der Übergabe des Zertifikats des Nähkurses.

„ICH BETE UM EINE NÄHMASCHINE.“

Welche Bedeutung eine Nähmaschine in Burundi hat, kann man an dem Bittbrief einer Frau erkennen, die über „Anstoß zur Hoffnung“ eine Ausbildung zur Näherin machen konnte:  

Mein Name ist Irankunda G., ich wurde am 24. September 1997 in der Provinz Muyinga in einer Familie mit vier Kindern geboren. Ich habe nur ein Elternteil. Ich hatte nicht die Chance auf Bildung und konnte nur bis zum zweiten Jahr die Grundschule besuchen. Mein Leben war schwierig, weil ich nicht von meinen Eltern aufgezogen wurde. Ich bin ohne Hilfe aufgewachsen, musste alles tun, um zu überleben. Dazu gehörte leider auch, dass ich meinen Lebensunterhalt durch erniedrigende Dienste verdienen musste und mich als Frau verkaufte. Ich wanderte von einer Provinz zur anderen auf der Suche nach Leben. Während dieses Lebens der Ausschweifung brachte ich ein Kind zur Welt, aber der Freier akzeptierte es nicht.  

Ich bin „Anstoß zur Hoffnung“ sehr dankbar für dieses Nähtrainingsprojekt, es macht mich wirklich glücklich. Ich habe dort Menschen gefunden, die mich wertschätzen und mir eine Ausbildung zur Näherin gaben. Jetzt bin ich in der Lage, einen Anzug oder andere gute Kleidung für Kunden zu nähen. Ich bete zu Gott, dass er mir helfen möge, eines Tages meine eigene Nähmaschine zu haben, und ich werde dann in der Lage sein, meinen Lebensunterhalt für mich und meine Kinder selbst zu verdienen. Ich danke Ihnen von Herzen. 

Viele Grüße

Andrea Mayer-Grenu