28. März 2022

Ein Leben unter Hirten

An einer Schafherde kann man viel über gesundes Wachstum lernen.

Seit rund sieben Jahren lebt Tobias Reuff überwiegend unter den Hirten Lesothos, um ihnen das Evangelium nahezubringen. In diesem Dienst und auch persönlich hat er dabei unterschiedliche Phasen der Entwicklung durchlaufen. Ein Rückblick und Ausblick.

Blökende Schafe und deren Lämmer sind jeden Herbst fester Bestandteil des Hirtenalltags in Lesotho. In dieser Zeit stehen die frisch geborenen, mitunter noch hilf- und schutzlosen Lämmer unter besonders intensiver Obhut der Muttertiere. Mit der Geburt der Lämmer wird ein Entwicklungsprozess angestoßen, der unaufhaltsam weitergeht. So werden die Jungtiere größer, nehmen an Gewicht zu und werden zunehmend unabhängiger und selbstständiger. Spätestens ein Jahr nach der Geburt ist diese Phase aus Sicht der Hirten beendet: Die ehemaligen Jungtiere werden nun als ausgewachsene Schafe angesehen und verbringen im Normalfall die nächsten Jahre in ihrer Herde, bevor sich ihre Lebenszeit zu Ende neigt. Vergleichbare Entwicklungsprozesse erlebe ich auch in meinen Jahren in Lesotho.

2014 – 2016: Die Ankunft

Völlig unbedarft traf 2014 ein Team von fünf jungen Männern aus unterschiedlichen Ländern in Lesotho ein, um einen Dienst unter den dortigen Hirten zu beginnen. Wir betraten neues Terrain: Noch nie hatten Menschen aus westlichen Ländern das Leben mit den Hirten Lesothos in dieser Form geteilt. Somit konnten wir kaum auf Erfahrungen zurückgreifen. Ähnlich wie die jungen Lämmer mussten wir zaghafte erste Gehversuche wagen und das Hirtenleben grundlegend erlernen, um uns in dieser neuen Welt zurechtzufinden. Dazu gehörten zum Beispiel das Kochen und die Gewöhnung an das einheimische Essen, die Wahl des Toilettenplatzes, das Hüten der Tiere, das Erlernen der Sprache, das Verständnis einer anderen Weltanschauung und vieles mehr. All dies zu erlernen, war faszinierend und herausfordernd zugleich. Denn es ist zwar schön, eine andere Kultur zu entdecken, Fortschritte beim Erlernen einer Sprache zu machen und zu merken, dass anfänglich fremde Abläufe mit der Zeit an Vertrautheit gewinnen. Dennoch ist es nicht so einfach, ständig Lernender zu sein oder sich sprachlich nur bedingt ausdrücken zu können. Doch Jesus investierte während seines Dienstes auf dieser Erde viel in die Entwicklung der Jünger, damit sie später, nach Jesu Rückkehr zum Vater, den Dienst weiterführen können. So war diese Phase für uns auch eine Zeit des persönlichen Wachstums und der individuellen Zurüstung – eine bedeutsame Grundlage für den Dienst der kommenden Jahre.

Der Entwicklungsprozess in einer Schafherde folgt festen Regeln. Neugeborene Lämmer stehen unter dem besonderen Schutz der Muttertiere.

2017 – 2020: Zunehmende Selbstständigkeit

Nach einigen Monaten in Deutschland kehrte ich im Februar 2017 wieder nach Lesotho zu den Hirten zurück. Die einst fremde Kultur und Sprache sind mittlerweile deutlich vertrauter geworden. Dennoch gibt es immer wieder Situationen und Momente, die herausfordernd sind und persönliche Grenzen aufzeigen. Es ist einfacher geworden, in der einheimischen Sprache Konversationen zu führen und auch den Glauben zu bezeugen. Somit ist es nicht verwunderlich, dass wir vermehrt direkte Früchte ernten und Bekehrungen von Hirten bezeugen können. Gespräche über den Glauben sind fester Bestandteil des Alltags, und es gab erste Taufen.

Auch mit dem Hirtenleben kenne ich mich inzwischen ganz gut aus und bekomme mehr Verantwortung übertragen. Es gibt immer wieder Tage, an denen mir die Tiere und somit ein großer Teil des Besitzes dieser Menschen alleine anvertraut sind. Zwar sind wir immer noch Fremde, doch in vielen Belangen sind wir in die Gemeinschaft der Hirten hineingewachsen und werden akzeptiert. Metaphorisch ausgedrückt ist das kleine Lamm mittlerweile zu einem jungen, erwachsenen Schaf herangewachsen und selbstständiger geworden.

2021 – ????: Multiplikation und Investition

Seit Mitte 2021 hat eine dritte Phase in unserem Dienst unter den Hirten begonnen. Über den bisherigen Hauptfokus Evangelisation und Jüngerschaft hinaus investieren wir vermehrt in die Entwicklung neuer biblischer Geschichten, da die Hirten oft nicht lesen und schreiben können und wir ihnen Gottes Wort in einer für sie verständlichen und nachvollziehbaren Art und Weise zugänglich machen wollen. Der (halb-)nomadische Lebensstil der Hirten bedingt, dass westliche Kirchenmodelle sehr schnell an ihre Grenzen stoßen. Häufigere Orts- und Personenwechsel, die Unbeständigkeit im Lebensstil und die hohe Priorität der Versorgung der Tiere machen es oft schwer, regelmäßige formale Veranstaltungen abzuhalten. Stattdessen ist der Alltag oft von eher informellen, flexiblen Treffen in sehr kleinen Gruppen oder mit Einzelpersonen geprägt. Daher versuchen wir verstärkt, einheimische Personen einzubeziehen, um die Hirten zu erreichen.

„Es ist die Symbiose Gottes, dem wohlsorgenden Hirten, und uns, seinen Schafen.“

In all diesen Jahren wurde deutlich, dass gesunde Entwicklung von Gott geführt und geleitet ist. Die hier beschriebenen Phasen waren von uns nicht vorab so beabsichtigt, sie entwickelten sich vielmehr aus unserer Arbeit heraus. Es gilt, Gottes Wegen folgend das von ihm intendierte Ziel zu erreichen. Betend und immer wieder nach Bestätigungen Ausschau haltend ist es unser Ziel, die Arbeit in Gottes Willen voranzubringen. Es ist die Symbiose Gottes, dem wohlsorgenden Hirten, und uns,
seinen Schafen, mit denen er lebt, arbeitet und sie zu grünen Weiden führt. Wir sind froh und dankbar, dass es sich lohnt, Jesus zu vertrauen, sich von ihm in allen Belangen führen zu lassen und sein Wirken sehen zu dürfen.

Im Hirtenalltag sind gesunde und wohlgenährte Tiere ein Zeichen für einen guten und fürsorgenden Hirten. Genauso ist es unser Anliegen, dass unsere Arbeit unter den Hirten letztendlich Jesus, unseren Hirten im Himmel, verherrlicht und Menschen auf ihn blicken lässt. Paulus’ Wort aus Kolosser 1,29 zeigt deutlich, was bedeutsam ist: „Dafür mühe ich mich auch ab und ringe in seiner
Kraft, die mächtig in mir wirkt.“ Um Menschen für Christus zu gewinnen und ihnen zu helfen, in ihrem Glauben zu reifen,
unternimmt Paulus alles in seiner Macht Stehende. Zugleich ist er sich klar bewusst, dass seine eigenen Anstrengungen abhängig
und in Gottes Gunst eingebettet sein müssen. Gott alleine ist es, der letztendlich alles vollbringt.

„Es ist die Symbiose Gottes, dem wohlsorgenden Hirten, und uns, seinen Schafen.“

Tobias Reuff

Projektland: Lesotho
• Lebt und evangelisiert unter den Hirten von Lesotho
• Seine Vision: „Hirten von Tieren zu Hirten von Menschen zu machen!“

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